Die Ars Electronica bewegt sich als Plattform zwischen Kultur, Technologie und Gesellschaft - beim heurigen Festival "Out of the Box" wird Max Haarich seinen Zugang, Kunst und Technologie zu verbinden, erläutern. Der Deutsche versucht dies als Münchner Botschafter der selbst ernannten Republik Uzupis in Litauen, in deren Verfassung als erster weltweit Künstliche Intelligenz (KI) Eingang fand.
Sprachwissenschafter Max Haarich bezog dazu eine Zweigstelle der Botschaft von Uzupis im Festivalgeschehen der PostCity am Linzer Hauptbahnhof. Am 8. September referiert er bei der European Platform for Digital Humanism (ab 11 Uhr, Conference hall) über die Verantwortung jedes einzelnen Gestalters und Nutzers von Künstlicher Intelligenz und die daraus entstehende Notwendigkeit an den zentralen Werten der Menschheit zu arbeiten.
KI-Viertel in Rom
Als sein Lieblingsbeispiel, wo Künstler sich des Themas angenommen haben, nannte er das IAQOS-Viertel in Rom. Dort werde eine KI-Infrastruktur mit den Bürgern gemeinsam erarbeitet, transparent und open source. Die KI werde behandelt wie ein Baby, das vom ganzen Viertel aufgezogen wird. "Das KI-Baby isst Daten, die Leute füttern es damit." Es sei das erste Projekt, in dem die von Datenskandalen Betroffenen die Macht hätten zu entscheiden, welche Daten sie preisgeben. Wenn das Ergebnis dafür nicht passt, könne man das ändern, weil alle Zugriff auf den Code hätten. Haarich sieht die Lösung im Umgang mit KI darin, zukünftig viele solche dynamische und dezentrale Ansätze zu finden.
"Viele Algorithmen funktionieren wie ein Vergrößerungsspiegel menschlichen Verhaltens." Nur habe der Mensch überhaupt keine Chance zu verstehen, was in den hidden layers einer KI passiert - "aber es führt oft zu sehr guten Ergebnissen, manchmal zu katastrophalen". Da die KI die Automatisierung vieler kognitiver Fähigkeiten erlaube, werden kreative Kompetenzen immer wichtiger, ebenso die Fähigkeit, Wissensbereiche zu vernetzen und Kooperationen zu organisieren, erläuterte der 36-Jährige.
"Mit Technologie die Welt verändern"
Haarich ist externer Berater der appliedAI-Initiative eines Zentrums der TU München und berät auch Unternehmen. Zum Thema KI kam er an der RWTH Aachen, als er als Sprachwissenschafter viele Einsichten für das Verständnis von KI liefern konnte. "Momentan kann man mit Technologie die Welt am schnellsten verändern. Ich hätte mir an manchen Stellen gewünscht, dass stärker reflektiert wird, wie man diese Technologien zum Vorteil der Menschheit einsetzen kann." Manchmal seien die Lösungen zu kurz gegriffen.
Er wünsche sich eine Kooperation von Unternehmen mit Künstlern auf Augenhöhe. "Kunst macht Technologie innovativer, zugänglicher und ethischer", sieht er als die drei Hauptfunktionen. Als der 36-Jährige bei einem Urlaub in Litauen zufällig die von Künstlern ausgerufene Republik Uzupis in Vilnius entdeckte, kombinierte er beides und schaffte sich als Botschafter von Uzupis in München die Aufgabe, "die Brücken zwischen Technologie und Kunst zu bauen und das in dem Münchner Ecosystem, wo ganz viele KI-Forschungs- und Entwicklungsgelder fließen". Die Ars Electronica und die Starts-Initiative der EU sieht er dabei als Vorreiter. Deshalb habe er bereits mit Vertretern der Ars Electronica gesprochen, die laut Haarich ohnehin gern im süddeutschen Raum sichtbarer wäre.
Roboter als Honorarkonsul
In Uzupis brachte er KI in die Verfassung - das erste Mal weltweit - und ernannte Roboter Roboy zum Honorarkonsul. Die Republik ist ein Stadtteil der litauischen Hauptstadt Vilnius, in dem Künstler Ende der 1990er-Jahre die Nation ausriefen. Die Motivation dahinter waren die Selbstrettung - in dem ziemlich verwahrlosten Viertel - und ein Test, wie ernst es dem jungen, post-sowjetische Litauen mit Unabhängigkeit und Frieden ist. "Sie haben es ernst gemeint und Uzupis wurde freundlich begrüßt." Die Präsidentin führe heute gern Besucher in den Stadtteil, der Bürgermeister von Vilnius wohne selbst dort.
Uzupis verfügt über eine Verfassung, eine Flagge und einen Präsidenten, ist aber Litauen gegenüber loyal. Artikel 1 lautet: "Jeder Mensch hat das Recht, am Fluss Vilnia zu leben, und der Fluss Vilnia hat das Recht, an jedem vorbei zu fließen." Weitere Punkte sind. "Jeder Mensch hat das Recht zu zweifeln, ist jedoch hierzu nicht verpflichtet."
Und, als jüngster Punkt - optisch und in der Nummerierung vom Original-Text getrennt - kam der KI-Artikel hinzu: "Any artificial Intelligence has the right to believe in a good will of humanity", formuliert von Außenminister Thomas Chepaitis, dem KI-Experten Alex Waldmann und Botschafter H. E. Max Haarich. "Es war ein sehr langer Prozess", erklärte Haarich, er musste sich verpflichten, nur eine einzige Version weltweit zu platzieren.
"Aktuell erarbeite ich in New York City in Abstimmung mit dem Außenministerium eine AI Bill of Rights in Anlehnung an die UN-Menschenrechtserklärung." Diese sei für KI formuliert, aber an den Menschen adressiert. Aber welche Rechte soll reine Mathematik haben, was KI nach Haarichs Definition ist? "Gute Frage", lachte Haarich und sagte: "Paradoxien ist das, womit Užupis am meisten spielt und das die ganze Zeit, weil das ganze Leben voller Paradoxien ist." Uzupis sei "immer todernst, aber gleichzeitig auf eine unterhaltsame Art und Weise", charakterisierte er die Republik. Übrigens auch die einzige in dem ein Roboter, eben Roboy, Einbürgerungen vornehmen kann. Das Interesse an Uzupis sei groß, bestätigte Haarich, er werde oft zu Konferenzen eingeladen.
APA/red Foto: APA/APA (ULRIKE INNTALER)