21.1.2020, 10:05 Uhr

Im Falle des Ausfalles: Wie man sich für Katastrophen rüstet

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Lawinenabgänge, Überschwemmungen, Waldbrände - bedingt durch den Klimawandel nimmt die Häufigkeit solcher und anderer Katastrophen zu. Wie man in Österreich für den Ernstfall gerüstet ist, darüber diskutierte eine Expertenrunde im Rahmen eines Science Talks des Wissenschaftsministeriums in Wien.

Es war vier Uhr am Nachmittag, erinnert sich Anton Mattle auch nach bald 21 Jahren noch genau an den 23. Februar 1999, als eine Lawinenkatastrophe das Tiroler Dorf Galtür und der Nachbargemeinde teilweise verschüttete. 38 Tote gab es damals, erzählte der Galtürer Bürgermeister und Landtagsvizepräsident, als eine Lawine in einen bisher als gefahrenfreien Bereich vorgedrungen ist. Seither gebe es in Galtür eine neue Zeitrechnung, unterteilt in "Vor dem Unglück" und "Nach dem Unglück". "Es gab keine Hinweise, dass an dieser Stelle jemals eine Lawine Schaden angerichtet hatte", so Mattle. Ein Schweizer Gutachten habe nach dem Unglück festgestellt, dass man die Katastrophe mit dem Wissen der neunziger Jahre nicht habe vorhersagen können. Dadurch stelle sich die Frage, ob es überhaupt Bereiche gebe, die gefahrenfrei sind.

Seither betreue er jedes Jahr mehrere Dissertationen und Vorwissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema, das die Galtürer auch nach zwei Jahrzehnten nicht loslässt. Feuerwehr, Bergrettung, Lawinenkommissionen würden sehr gut geschult. Aber egal wie sehr man sich auf theoretischer Ebene damit beschäftige, die Praxis sehe anders aus. Mattles Botschaft: "Ihr müsst es euch ganz einfach zutrauen." Am Ende wachse man an seinen Aufgaben.

Früh übt sich

Im Falle eines Unglücks trage jeder Verantwortung, betonte der Oberösterreichische Landesfeuerwehrkommandant Robert Mayer: "Der Gedanke des Helfens ist vorhanden. Wir sind sehr stolz auf unseren Feuerwehrnachwuchs." Besonders erfreut sei er über den steigenden Frauenanteil in der Freiwilligen Feuerwehr. Eine wichtige Maßnahme sei die Präventionsarbeit. Mit der Initiative "Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr" trage er seit mittlerweile neun Jahren Wissen zum Umgang mit Feuer und Gefahren in die Bevölkerung. Altersgerecht aufgearbeitet könne man schon im Kindergarten dafür sensibilisieren, so Mayer, damit die Kinder "in jeder Phase ihrer schulischen Ausbildung" mit der Thematik in Berührung kommen. "Man ist sehr schnell einmal in einer Situation, in der man richtig handeln sollte."

"Es ist ganz, ganz wichtig, dass man dieses Wissen -was macht man bei Gefahr?- möglichst frühzeitig vermittelt", stimmte Beatrix Karl, Vizerektorin der Pädagogischen Hochschule (PH) Steiermark und von 2010 bis 2011 Wissenschaftsministerin, zu, "damit es selbstverständlich wird." Panik könne man vorbeugen, indem man frühzeitig sensibilisiere. Dafür brauche es entsprechend geeignete Pädagogen. Zwar sei Katastrophenschutz kein eigenes Fach, es fließe aber vom Sachunterricht bis zu den Naturwissenschaften in viele Unterrichtsgegenstände ein. Die Fortbildung der Pädagogen sei unerlässlich, verweist sie auf die 13.000 aktiven Lehrer, die pro Jahr die Weiterbildungsveranstaltungen der PH besuchen.

TU Graz setzt auf Wissenschaft

Die Technische Universität (TU) Graz geht die Sache ihrer Natur gemäß weniger von der pädagogischen und mehr von der wissenschaftlichen Seite an. Wissenschaftliche Entwicklungen wie Rettungsroboter oder -drohnen hätten den Wunsch geweckt, eine Freiwillige Universitätsfeuerwehr einzuführen, erinnert sich Kommandant und Direktor Harald Kainz. Seit zwei Jahren ist das mittlerweile erlaubt. Statt auf dem Brandschutz liegen die Schwerpunkte aber darauf, das Know-how aus der Wissenschaft in das Feuerwehrwesen zu tragen - eben mit Forschungsprojekten wie Robotern, dem richtigen Einsatz von Drohnen, etc. Die TU Graz gab den Anstoß, die Universität Graz folgte kurz darauf, andere österreichische Universitäten wie die Montanuni Leoben und das Joanneum Graz arbeiten bereits daran.

Noch einen Schritt weiter geht der Verein "Desaster Competence Network Austria", von dem Kainz Obmann ist. 180 Experten aus österreichischen und ausländischen Universitäten und Forschungseinrichtungen können auf einer Plattform ihr Wissen bezüglich Katastrophenforschung teilen, sich austauschen und Projekte unternehmen. Der Verein befindet sich zurzeit noch in der Aufbauphase, es werde noch ein paar Jahre dauern, bis sie wirklich aktiv "zum Wohle der Bevölkerung aktiv werden können".

Totale Finsternis

Bezüglich Naturkatastrophen sei man in Österreich "leider mit Erfahrung gesegnet", verweist Robert Stocker vom Bundesministerium für Inneres auf die Schneemassen, die Anfang 2019 wochenlang Dörfer und Gemeinden vom Rest Österreichs abgeschnitten haben. "Wir wissen damit umzugehen." Schwieriger gestalte sich die Lage bei "vernetzten Krisen", also Krisensituationen, in denen Auswirkungen in allen möglichen Lebensbereichen entstünden. So etwas habe man in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr bewältigen müssen, weshalb man "keine Erfahrung dazu" habe. Von einem tagelang andauernden Stromausfall beispielsweise, wie im Thriller "Blackout" von Marc Elsberg thematisiert, wäre nahezu jeder Lebensbereich betroffen.

Die Frage, wie man eine solche Herausforderung bewältigen könne, stand im Mittelpunkt der bundesweiten Blackout-Übung "Helios" im Mai 2019, die Stocker leitete. Drei Tage lang seien Innenministerium, Bundesheer, Rettungsorganisationen und viele mehr damit beschäftigt gewesen, Rahmenbedingungen festzulegen, um den Gemeinden auch im Fall eines Ausfalls eine gewisse Normalität geben zu können. Prävention sei nicht immer machbar, Katastrophen können nicht vollständig vermieden werden, ist er sich sicher. Umso wichtiger sei es, dass jeder und jede Einzelne vorgesorgt habe - mit Taschenlampen, Batterien, Essensvorräten und vor allen Dingen Wasserflaschen.

APA/red Foto: APA/Christopher Dunker