Die Geschichten, die Christian Köberl zu erzählen weiß, handeln von gewaltigen, manchmal sogar epochalen Ereignissen. Entsprechend oft finden die wissenschaftlichen Arbeiten des Kosmochemikers über Meteoriteneinschläge ("Impakte") ihren Niederschlag in den Medien. Am Montag (18.2.) feiert Köberl, der seit 2010 Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien ist, seinen 60. Geburtstag.
Forschungsreisen zur Untersuchung von Impaktkratern führten und führen Köberl in alle Welt. In großen internationalen Projekten - nur so lassen sich die teuren Bohrungen in abgelegenen Gebieten finanzieren - war und ist der Kosmochemiker als leitender Wissenschafter ("Principal Investigator") beteiligt und konnte so mittels kilometertiefer Bohrungen die oft verborgenen Überreste von Meteoriteneinschlägen auf der Erde erforschen.
Das gilt etwa für Bohrungen in den 180 Kilometer großen Chicxulub-Krater im Golf von Mexiko, geformt von jenem Meteoriten, der vor 66 Millionen Jahren für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich war. Er hat auch in Ghana auf einer Bohrplattform mitten im See des Bosumtwi-Krater aus mehr als 2.000 Meter Bohrkerne aus der Tiefe geholt oder Bohrkerne aus dem nordostsibirischen See "El-gygytgyn" ausgewertet, der vor rund 3,6 Millionen Jahren durch einen Meteoriteneinschlag entstanden ist. In den 1990er-Jahren entdeckte er im US-Bundesstaat Virginia den riesigen, unterirdischen Einschlagskrater eines Meteoriten, der vor 35 Millionen Jahren auf die Erde krachte.
Köberls Forschungen waren aber nicht nur auf die Erde beschränkt. Er hat auch Meteoriteneinschläge und geologische Prozesse anderer Planeten erforscht und sich mit Themen wie beispielsweise Massensterben und Evolution auseinandergesetzt. Mehrmals war er etwa Gastwissenschafter am Lunar and Planetary Institute sowie am NASA Johnson Space Center in Houston (US-Bundesstaat Texas).
Geboren am 18. Februar 1959 in Wien legte sich Köberl mit dem Besuch der Höheren Lehranstalt für Chemische Industrie schon früh auf sein Fachgebiet fest. Er studierte Technische Chemie an der Technischen Universität Wien sowie Astronomie und Chemie an den Universitäten Wien und Graz. 1983 dissertierte er in Kosmochemie an der Uni Graz und arbeitete anschließend an der Uni Wien. 1990 habilitierte Köberl in Geo- und Kosmochemie an der Uni Wien und war anschließend - unterbrochen von mehreren Gastprofessuren in den USA und Südafrika - als Assistenz- und als außerordentlicher Professor tätig, ehe er 2009 eine Professur für Inpaktforschung und planetare Geologie an der Uni Wien erhielt.
2006 wurde Köberl stellvertretender Leiter des Departments für Lithosphärenforschung der Uni Wien, zwei Jahre später übernahm er bis zu seiner Bestellung als NHM-Chef dessen Leitung. 2006 nahm ihn die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) als wirkliches Mitglied auf, an der Akademie leitet er die Kommission für Geowissenschaften.
Zahlreiche Auszeichnungen
1996 erhielt er den österreichischen Start-Preis, ein Jahr später den Novartis-Preis für Chemie. 2006 wurde der Kleinplanet 15963 nach ihm benannt, 2017 erhielt er den Kardinal-Innitzer-Würdigungspreis. Der Forscher hat Hunderte wissenschaftliche Artikel und 15 zum Teil populärwissenschaftliche Bücher publiziert, zuletzt "Achtung Steinschlag! Asteroiden und Meteoriten: Tödliche Gefahr und Wiege des Lebens" (2018).
Als Generaldirektor des NHM kann Köberl seine Leidenschaft für den Kosmos nicht verbergen. Das Museum verfügt über eine der bedeutendsten Meteoritensammlung der Welt, die unter Köberls Ägide eine neue Blüte erlebte, etwa durch die Neugestaltung des Meteoritensaals oder die Ankäufe eines 2011 gefallenen Mars-Meteoriten und eines 1976 in Tirol gefundenen Meteoriten. Zudem schenkte sich das Haus zum 125. Jahrestag seiner Eröffnung ein digitales Planetarium.
Es waren aber nicht nur die Meteoriten, die zum Anstieg der Besucherzahlen des NHM von 527.000 auf 777.000 in der bisherigen Amtszeit Köberls beigetragen haben. Auch die Anthropologie-Säle wurden nach mehr als 15 Jahren Schließung neu gestaltet und der "Venus von Willendorf" eine neue Heimat gegeben. Sonderausstellungen wie "Körperwelten", "Mammuts - Eismumien aus Sibirien" oder "Hund & Katz" erwiesen sich als Publikumsmagneten. Doch Köberl schreckt auch vor unbequemen Themen nicht zurück, wie Ausstellungen über das Artensterben oder die derzeit laufende Schau "Krieg - Auf den Spuren einer Evolution" zeigen.
Seinen runden Geburtstag wird Köberl übrigens "mit so wenig Aufhebens wie möglich, nur mit meiner Frau, auf Urlaub weg von Wien" verbringen, wie er auf Anfrage der APA erklärte.
APA/red Foto: APA/APA (Neubauer)