5.9.2019, 20:05 Uhr

Indoeuropäische Sprachen kamen aus der Steppe via Europa nach Indien

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Die erstaunlichen Ähnlichkeiten von mehr als 400 Sprachen von Westeuropa bis Zentral- und Südasien stellen die Wissenschaft seit rund 200 Jahren vor Rätsel. Im Rahmen einer Studie im Fachjournal "Science" zeichnen nun Forscher ein neues Bild des Ursprungs der indoeuropäischen bzw. indogermanischen Sprachen: Demnach kamen sie aus der asiatischen Steppe nach Europa und erst später nach Indien.

Das Erbgut von insgesamt über 500 Menschen aus Zentral- und Südasien (mit letzterem meinen die Forscher vor allem Gebiete des heutigen Indien) wurden von dem Forscherteam analysiert, dem mit Ron Pinhasi von der Universität Wien und Maria Teschler-Nicola vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien auch zwei in Österreich tätige Wissenschafter angehörten. Dann verglichen die Forscher unter Federführung von Vagheesh Narasimhan und David Reich von der Harvard Medical School (USA) die neuen Daten mit bereits vorhandenen Daten aus alter DNA und dem Erbgut aktuell lebender Menschen sowie archäologischen, sprachwissenschaftlichen und historischen Aufzeichnungen aus dem Zeitraum zwischen 12.000 und 2.000 Jahren vor unserer Zeit.

Sprachgruppe durch Kolonialherrschaft angewachsen

Anhand der nun vorliegenden Untersuchungen ließen sich "zwei der tiefgreifendsten kulturellen Veränderungen im alten Eurasien" nachzeichnen, nämlich der "Übergang von der Jäger- und Sammler-Kultur zur Landwirtschaft und die Verbreitung der indoeuropäischen Sprachen, die heute von den Britischen Inseln bis nach Südasien gesprochen werden", so Narasimhan in einer Aussendung. Diese Sprachgruppe ist vor allem durch die einstige Kolonialherrschaft europäischer Staaten über zahlreiche Länder zur größten weltweit angewachsen.

Wie es möglich war, dass sich schon lange vor dem Kolonialismus derart viele verschiedene, aus sprachwissenschaftlicher Sicht aber eindeutig verwandte Sprachen, über so große Gebiete verbreiteten, bietet seit der Entdeckung der Ähnlichkeiten vor rund zwei Jahrhunderten viel Raum für Diskussionen. Die nunmehrigen Analysen könnten diese beenden, zeigen sich die Wissenschafter überzeugt.

Aktuell gibt es zwei prominente Hypothesen dazu: In der Steppen-Hypothese geht man davon aus, dass Hirtenvölker die ursprüngliche indogermanische Sprache bei ihren Wanderungen aus Steppengebieten der heutigen Ukraine und Russlands mitbrachten. Im Rahmen der Anatolien-Hypothese wird wiederum angenommen, dass die Sprache mit der Ausbreitung des Ackerbaus vom heutigen Anatolien ausgehend Richtung Westen nach Europa und Richtung Osten nach Zentral- und Südasien verbreitet wurde. Aufgrund der neuen Studie ergebe sich "ein Schachmatt für die anatolische Hypothese", so Reich: "Wir können eine Ausbreitung von Bauern mit anatolischen Wurzeln nach Südasien ausschließen."

Viehzüchter auf dem Weg in Richtung Europa

Ein Ergebnis der laut den Forschern "größten jemals durchgeführten Studie" mit alter menschlicher DNA lege nahe, dass sowohl der balto-slawische Zweig der Sprachgruppe wie auch der indo-iranische Zweig auf eine Gruppe von Viehzüchtern aus der Steppe zurückgehen, die sich vor rund 5.000 Jahren auf den Weg in Richtung Europa machte. Erst in den folgenden 1.500 Jahren breiteten sich die Nachfahren dieser Gruppe dann wieder in den Osten nach Zentral- und Südasien aus.

Ein weiterer Hinweis, der laut Forschern gegen die Anatolien-Hypothese spricht, ist, dass sich genetische Spuren der einstigen Steppenbewohner heute vor allem in einigen Bevölkerungsgruppen Südasiens nachweisen lassen, deren Mitglieder in früheren Zeiten oft als Priester fungierten. Darunter finden sich etwa die Brahmanen, die sich als die traditionellen Hüter jener religiösen Texte (Veden) sehen, die in der alten indoeuropäischen Sprache Sanskrit verfasst wurden. "Die Feststellung, dass Brahmanen mehr Steppen-Abstammung haben als andere Gruppen in Südasien, liefert ein faszinierendes neues Argument für einen Steppenursprung für indoeuropäische Sprachen in Südasien", so Reich.

Während sich in Europa, im heutigen Iran sowie in Zentralasien nachweisen lasse, dass das Know-how zum Betreiben des Ackerbaus vor allem durch Einwanderer aus dem heutigen Anatolien in die zuvor von Jäger-Sammler-Gesellschaften besiedelten Gebiete gebracht wurde, fanden sich in den alten DNA-Resten im heutigen Indien keine Spuren solcher Einwanderer. Reich: "Vor der Ankunft der Steppen-Viehzüchter, die ihre indoeuropäischen Sprachen vor viertausend Jahren brachten, finden wir keine Hinweise auf große Bevölkerungsbewegungen nach Südasien."

Service: https://dx.doi.org/10.1126/science.aat7487

APA/red Foto: APA/Michael Frachetti

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