Das Personal der Wiener privaten und städtischen Kindergärten, Horte und schulischen Freizeitbetreuung hat am Dienstag bei einer Groß-Demonstration neuerlich bessere Rahmenbedingungen eingefordert. Tausende Menschen kamen am Vormittag im Wiener Sigmund Freud Park bei der Votivkirche zusammen, um ihre Forderungen an die Politik zu richten. "Wir sind streikbereit", so die Botschaft. Zahlreiche Kindergärten blieben in Wien am Dienstag wegen der Proteste geschlossen.
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Neu: Schlusskundgebung (2. Absatz), Reaktionen von NEOS, FPÖ und ÖVP (letzte 3 Absätze)
Nach der als öffentliche Betriebsversammlung abgehaltenen Protestveranstaltung zogen die Protestierenden auf einem Demozug über die Ringstraße. Am Nachmittag wurde die Veranstaltung mit weiteren Redebeiträgen im Sigmund Freud Park abgeschlossen.
Mehr Zeit, mehr Raum, mehr Geld und Personal
"Wir brauchen dringend: mehr Zeit, mehr Raum, mehr Geld und mehr Personal!", hieß es im der Protest-Aufruf der Gewerkschaften GPA und Younion. Gekommen waren laut Gewerkschaftsangaben rund 12.000 Personen, die Polizei sprach von 8.000 bis 10.000 Teilnehmern im komplett vollen Park bei der Votivkirche.
"Ich komme wir vor wie in Woodstock, es ist unfassbar, wie viele Menschen heute hier sind", freute sich GPA Wien-Landegeschäftsführer Mario Ferrari bei seiner Rede. Die Proteste seien notwendig, denn: "Der Hut brennt leider." Er appellierte auch an die Arbeitgeber, sich "vor die Fördergeber hinzustellen und für bessere Arbeitsbedingungen einzutreten". Es sei "unerträglich geworden, unter welchen Arbeitsbedingungen ihr tagtäglich für die Kinder und für die Gesellschaft da sein müsst", sagte er zu Beginn der Veranstaltung - und forderte etwa eine Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels.
"Ohne uns keine Musik", "Schluss mit den braven Tanten" oder "Stand der Dinge, Augenringe", war auf einigen der von den Betroffenen mitgebrachten Transparenten zu lesen. Die ebenso geäußerte Forderung "Wir brauchen mehr" unterstützte auch Ferrari: "Wenn man dann immer nach der Finanzierung fragt: Ich bin nicht der Finanzminister, aber eines weiß ich, dass wir Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die Steuerlast tragen. Wir treten nach wie vor für eine Millionärssteuer ein."
"Wo sind die Milliarden, Herr Minister?", fragte auch der stellvertretende Vorsitzende der Younion-Wien, Manfred Obermüller, mit Blick auf die Personalknappheit. Er forderte eine "Ausbildungsoffensive und kein leeren Versprechungen". Das bisher seitens der Politik Gelieferte reiche nicht. Deshalb werde man solange "wieder hergehen", "bis wir gehört werden", stellte er weitere Protestmaßnahmen in Aussicht.
Weitere Proteste drohen
Dass der Protest-Tag nicht der letzte sein könnte, machte auch Betriebsrätin Selma Schacht ("Bildung im Mittelpunkt", Anbieterin schulischer Freizeitbetreuung) klar: "Wir sind streikbereit", rief sie den Tausenden zu, die diesen Schlachtruf in Sprechchören postwendend skandierten.
Kritik an der Regierung übte auch die Vorsitzende der Themenplattform Elementar-, Hort- und Freizeitpädagogik in der GPA, Karin Wilfingseder: Die Regierenden hätten sich in den letzten Jahren "konsequent" geweigert, "annehmbare Arbeitsbedingungen zu schaffen". "Aber wir bleiben so lange in der Offensive (...), bis wir uns durchgesetzt haben." Heute sei die Elementarpädagogik "Top-Thema" in der Innenpolitik. "Ihr wisst, warum wir das sind: Weil ihr alle euch nicht mehr gefallen lässt, dass ihr als 'brave Tanten' dämlich lächelnd so tut, als wäre alles OK. Nichts ist OK, uns reicht's."
Die Ankündigung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), 4,5 Milliarden Euro bereitzustellen, "das reicht uns lange nicht", wiederholte Wilfingseder die Kritik der Gewerkschaft. Diese hatte die jüngste Ankündigung zusätzlicher Mittel für den Elementarbereich durch Nehammer bzw. im neuen Finanzausgleich als nicht konkret genug bezeichnet. Es brauche Maßnahmen wie kleinere Gruppen mit mehr Personal, genug Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit, bezahlte Reflexionszeit sowie österreichweit einheitliche Strukturbedingungen, so die Forderungen. Derzeit geben die Länder die Regeln vor.
Ohne bessere Rahmenbedingungen werde sich der schon jetzt akute Personalmangel weiter verschärfen, warnten die Gewerkschaften im Vorfeld des Protest-Tages. Laut der für die Gemeindebediensteten zuständigen Younion fehlen allein in den städtischen Kindergärten 600 Pädagoginnen und Pädagogen, in allen Wiener Einrichtungen seien es 1.200.
Viele Kindergärten und Horte blieben zu
Die Kindergärten, Horte und die schulische Freizeitbetreuung der meisten privaten Träger blieben wegen der Betriebsversammlungen von 6 bis 15.30 Uhr geschlossen. In den städtischen Einrichtungen wurde ein Notbetrieb eingerichtet. Im Gegensatz zum Personal der privaten Anbieter dürfen sich bei den städtischen Einrichtungen aus rechtlichen Gründen nur Gewerkschaftsmitglieder am Protest beteiligen, die sind allerdings beim Kindergartenpersonal in der Mehrheit. Auch die Nachmittagsbetreuung für Schüler entfiel großteils. Betroffen waren potenziell knapp 100.000 Kinder und deren Familien.
In Wien gibt es insgesamt rund 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Kindergärten und Horten. Auch die Freizeitpädagoginnen und -pädagogen von "Bildung im Mittelpunkt", die an 142 öffentlichen Volksschulen für 35.000 Kinder den Freizeitteil gestalten, beteiligten sich an den Demos.
Reaktionen von den politischen Parteien
Volles Verständnis zeigte NEOS Wien-Klubobfrau Bettina Emmerling für den Protest. "Wir stehen als NEOS an der Seite der Pädagoginnen und Pädagogen", sagte sie in einer Aussendung. Der Kindergartenbereich in Österreich sei jahrzehntelang "stiefmütterlich behandelt" worden. Auch jetzt gebe es von der schwarz-grünen Bundesregierung nur Lippenbekenntnisse. Sie verwies auf in Wien von der rot-pinken Koalition gesetzte Maßnahmen. So habe man bereits heuer rund eine Milliarde Euro in die Kindergärten investiert und liege somit "weit an der Spitze im Bundesländervergleich".
"Großes Verständnis" für die Protestierenden zeigte der Bildungssprecher der Wiener FPÖ, Klubobmann Maximilian Krauss: Die Rahmenbedingungen in Wien seien "derart schlecht, dass viele Kindergärtner im Wiener Umland eine Stelle annehmen". Grund dafür sei die schlechte Bezahlung, "aber auch das Parkpickerl, das viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Wien vertreibt". Verantwortlich sei NEOS-Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr, so Krauss.
Auch die Wiener ÖVP kritisierte SPÖ und NEOS: es fehle der Wille und auch ein konkreter Plan. Zwar sei erst vor wenigen Tagen ein sogenannter "Stufenplan" präsentiert worden, "jedoch fehlt diesem die wichtigste Stufe: die stufenweise und langfristige Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels", so Landesparteiobmann Stadtrat Karl Mahrer sowie Bildungssprecher Harald Zierfuß.
APA/red Foto: APA/APA/MAX SLOVENCIK/MAX SLOVENCIK
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