"Auch die interessantesten Kunstwerke verändern unseren Planeten nicht", ist sich Christian Köberl, Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien, sicher. Von Pussy Riot über Notre Dame bis hin zu Musik im Konzentrationslager diskutierten Experten bei einem Science Talk des Bildungsministeriums, ob Kunst das Potenzial hat, die Welt zu verbessern.
Für Köberl hat Kunst dieses Potenzial nicht. Er sieht Kunst und Naturwissenschaften als "zwei unterschiedliche aber doch einander ergänzende Arten, die Welt zu betrachten." Naturwissenschaften beschreiben auf eine objektive Weise, mit Kunst finde für den Betrachter auf eine mehr subjektive Art eine Betrachtung der Welt statt. So werden im Naturhistorischen Museum in Wien auch immer wieder verschiedene Kunstwerke in Ausstellungen zu naturwissenschaftlichen Themen hineingenommen. Aber der Planet werde dadurch nicht verändert, so Köberl. Auch Marion Elias der Universität für angewandte Kunst in Wien ist der Meinung, dass Kunst die Welt nicht besser machen kann.
Für Elisabeth Gutjahr vom Mozarteum hingegen ist "die Kathedrale Notre Dame eigentlich nur ein Haufen Steine, die jetzt nicht mehr so stabil steht wie vorher, da ist ein Unterschied zu den Steinen und dem Menschen, der diesen Steinen Bedeutung zumisst. Das hat ganz intensiv mit künstlerischem Erleben zu tun, mit Schichten, die hinter dem stehen, was wir mit diesen Steinen verbinden." Für sie entsteht durch die subjektive Betrachtung der Welt erst Bedeutung.
Wirkung auf den Einzelnen
Helmut Leder erforscht an der Universität Wien seit 15 Jahren, wie sich Erleben und Schaffen von Kunst positiv auf den Menschen auswirken kann. Bei Alzheimerpatienten konnte beispielsweise gezeigt werden, dass es so etwas wie Stabilität des ästhetischen Sinns gibt. "In der Welt der einzelnen Person hat Kunst einen positiven Effekt und macht das Leben dieser Person besser." Der Akt des Betrachtens eines Kunstwerks sei meist etwas Positives und kann starke emotionale Erlebnisse bewirken, bis zu Momenten, "wo wir wirklich durch Kunst transformiert werden." So seien zum Beispiel Rothko-Gemälde bei manchen Menschen "ganz, ganz meditative, fast religiöse Stimmungen auslösende Gemälde", die Menschen zu Tränen rühren können. "Das sind Erfahrungen, aus denen man möglicherweise nicht als die selbe Person herauskommt, sondern als jemand anders." In der Musik kommen solche Momente häufig vor, "sie kann sehr schnell und direkt Emotionen beeinflussen."
Auch an einem absoluten Endpunkt wie im Konzentrationslager schaffen es Menschen, zu überleben, weil sie Musik machen, so Gutjahr. In Situationen, wo es Menschen nicht mehr möglich ist, dieser Welt, dem Menschsein noch etwas Positives abzugewinnen, dann beschäftigen sich Menschen plötzlich künstlerisch und "es geht etwas anderes auf. Das kann kaum etwas anderes." Das ist für Gutjahr das "kleine Prinzip Hoffnung, das ich in der Kunst in besonderer Weise empfinde."
Mittel zur Veränderung
Oft werden auch künstlerische Mitteln eingesetzt, um gesellschaftliche Verbesserung hervorzurufen, so zum Beispiel von Pussy Riot, sagt Gutjahr. Für Künstler könne das auch heute noch immer gefährlich sein, wenn Machthaber das so einschätzen und ganz schnell unterbinden, das reicht von Ruhestörung bis zur Störung der ästhetischen Ordnung. So seien die Sängerinnen von Pussy Riot dann auch im Gefängnis gelandet. "Kunst ist schon auch sehr mächtig."
Der Kunst solle nicht allein die Last auferlegt werden, die Probleme der Welt zu lösen, so Gutjahr, aber ohne die Kunst würden dem Menschen "viele Mittel fehlen, denn die Fähigkeiten, die für die Auseinandersetzung mit Kunst nötig seien, bieten das Potenzial, etwas zu unternehmen, was zu einer Besserung führen kann."
APA/red Foto: APA/Hans Hofer/BKA
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