11.6.2020, 07:41 Uhr

Alter Stollen-Zugang zu Grazer Kalvarienberg freigelegt

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So mancher Spaziergänger mag sich in den vergangenen Wochen über die Baustelle am Fuß des Grazer Kalvarienbergs gewundert haben. Kaum zu übersehen klafft derzeit ein tiefer Einschnitt in dem markanten Felsen am Murufer. Darin befindet sich ein nach dem Krieg zugeschütteter und erst jetzt wieder offener Zugang zu ehemaligen Luftschutzstollen aus dem Zweiten Weltkrieg.

Bald soll die in den Stollen befindliche Ausstellung über die Zeit der Bombenangriffe auf Graz in den letzten beiden Kriegsjahren neu eröffnet werden. Pfarrmitarbeiter Friedrich Hager kümmert sich persönlich um die Führungen durch die ehemalige Luftschutzanlage. Seit drei Jahren bemüht er sich um die Renovierung der Stollen. Hager möchte künftig regelmäßig stattfindende Führungen anbieten und wünscht sich, dass die Stadt Graz die Kalvarienbergstollen in ihr Tourismus-Angebot aufnimmt.

Besucher betreten die Stollen von der Westseite aus. Der entsprechende, zweite Eingang befindet sich gegenüber des Pfarramts. Schautafeln informieren über das Kriegsgeschehen zur Zeit der Bombenangriffe. Zusätzlich gibt es Artefakte zu bestaunen, wie etwa eine rund 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe - eine Dauerleihgabe des Innenministeriums. Auch eine Toilettenanlage ist erhalten. Die aus zwei großen Aluminiumbehältern mit Deckel bestehenden Sanitäreinrichtungen waren wohl dringend notwendig, denn ein Bombenalarm konnte bis zu sechs Stunden dauern, wie Hager erzählt. Bis zu 3.000 Grazer fanden im Kalvarienberg Platz.

Kritik an Ausstellung

Von Historikerseite geäußerte Kritik, die von ihm und Buchautor Walter Brunner ("Bomben auf Graz") gestaltete Ausstellung sei einseitig und vertrete indirekt nationalsozialistische Standpunkte, kann Hager nicht nachvollziehen: "Es geht doch nur darum zu zeigen, wie das damals war."

Aber nicht nur Zeitgeschichtliches haben die Stollen zu bieten. Auch Fledermäuse, genauer gesagt die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) sind hier zuhause. Aus naturschutzrechtlichen Gründen dürfen zu bestimmten Zeiten keine Arbeiten in den Stollen verrichtet werden, um die Tiere nicht zu stören. Die wiedergeschaffene zweite Öffnung kommt den Fledermäusen zugute - sie bekommen dadurch eine zweite Anflugmöglichkeit.

Mehr Kopfzerbrechen als die flatterhaften Kleinsäuger bereitete den Verantwortlichen der Pfarre jedoch das Bundesdenkmalamt. Nach dem Krieg wurde jener Teil des Felsens, der den Zugang zum Stollen überdeckte, abgebrochen. Der Stollenzugang wurde vermauert und vollkommen zugeschüttet, weil die Felsnische vor dem Stollenausgang der Nachkriegsjugend als Treffpunkt für, zumindest aus der Sicht der katholischen Hausherren, "sündige" Stelldicheins gedient hatte, weiß Hager zu berichten.

Loch im Berg

Wegen des damals zerstörten Felsvorsprungs klafft jetzt ein tiefes Loch im Kalvarienberg. Weil der Berg und die kirchliche Anlage in ihrer Gesamtheit seit 2009 denkmalgeschützt sind, muss die Pfarre den wieder geöffneten Zugang mit einer Betonkonstruktion künstlich überdachen lassen. Erst dann kann der Hang darüber wieder seine frühere Form bekommen - inklusive Wiese.

Dieses Unterfangen kostet die Pfarre rund 30.000 Euro - rund die Hälfte der gesamten für die Stollenrenovierung veranschlagten Kosten. Den Zugang nicht zu öffnen, sei trotzdem keine Option gewesen, meinte Hager im APA-Gespräch. Ein Notausgang sei allein wegen der immer häufigeren Besuche von Schülergruppen notwendig. Hinzu kommt, dass eine Durchzugslüftung erforderlich ist. Die erste, auf Spanplatten aufgezogene Garnitur Schautafeln löste sich wegen der hohen Luftfeuchtigkeit buchstäblich auf. Hager hofft angesichts der beträchtlichen Kosten auf öffentliche und private Unterstützung.

Die Sanierungsarbeiten am Äußeren des Berges sollen demnächst beginnen. Hager hofft, dass die Eröffnung noch im Sommer stattfinden kann. Als Ehrengast wünscht er sich unter anderem Altbürgermeister Alfred Stingl (SPÖ). Denn dieser ist - ebenso wie Hager - selbst Zeitzeuge und suchte als Kind vor den Bomben in den Stollen Schutz.

APA/red Foto: APA/APA (ANDREAS STANGL)