Insgesamt 57 Forschungsteams können sich im Rahmen der aktuellen Vergaberunde des Europäischen Forschungsrates (ERC) über einen mit je rund zehn Millionen Euro dotierten "Synergy Grant" freuen. An fünf dieser großen internationalen Kooperationsprojekte sind in Österreich tätige Wissenschafter maßgeblich beteiligt, heißt es seitens des ERC.
Ziel der höchstdotierten Förderschiene des Forschungsrates ist die Unterstützung von Projekten, die ohne die enge Zusammenarbeit in diesen in der Regel mehrere wissenschaftliche Disziplinen umfassenden kleinen Gruppen nicht möglich wäre. Durch die Kombination von einander ergänzenden Fähigkeiten und Ressourcen sollen dabei ambitionierte wissenschaftliche Problemstellungen im Grenzbereich zwischen verschiedenen Fachbereichen bearbeitet werden.
Insgesamt 548 Anträge
Insgesamt fließen 571 Mio. Euro im Rahmen der aktuellen Zuerkennungen in solche Vorhaben. 548 Anträge waren beim ERC eingegangen, die Bewilligungsquote lag somit bei knapp über zehn Prozent. Auf die meisten Beteiligungen kommt Deutschland, mit 34 dort tätigen Forscherinnen und Forschern; auf den Plätzen dahinter folgen Großbritannien (18 Beteiligungen) und Frankreich (13).
Von den fünf Austro-Beteiligungen entfallen drei auf in Wien arbeitende Wissenschafter: Mit der Zusammensetzung und der Ermüdung von Beton sowie der Zukunft des Werkstoffes setzen sich - zusammen mit Gruppen von der RWTH Aachen (Deutschland) und der Technischen Universität (TU) Brünn - der am Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen an der TU Wien arbeitende Bernhard Pichler und sein Team auseinander. Dabei geht es u.a. um das Finden neuer Rezepturen für das treibhausgasintensive Materialgemisch, auch im Hinblick auf die bisher nicht ausreichend verstandenen Mechanismen hinter den Ermüdungserscheinungen von Beton-Konstruktionen, heißt es seitens der TU Wien.
Mikroben, die Stickstoff veratmen, auf der Spur
Rund 2,5 Mio. Euro erhalten die Mikrobiologin Katharina Kitzinger von der Universität Wien und ihre Gruppe für ihr "Synergy"-Projekt, teilte die Uni mit. Zusammen mit Kollegen aus Dänemark, Schweden und aus den USA wird man sich mit Mikroben auseinandersetzen, die Stickstoff anstatt von Sauerstoff veratmen. Sie sind etwa in sauerstoffarmen Zonen in den Meeren am Werk und setzen dort zum Beispiel Lachgas frei, das ein starkes Treibhausgas ist und welches wiederum zur Vergrößerung dieser Zonen beitragen kann. Das Team möchte ein "globales mikrobielles Ökosystemmodell für sauerstoffarme Meeresregionen" erstellen.
Mit Fragen dazu, was in der Atmosphäre geschieht, wenn es zu einer Umpolung des Magnetfeldes der Erde und damit auch einer zeitweisen starken Abschwächung seiner Schutzwirkung vor kosmischer Strahlung und Sonnenwinden kommt, setzt sich ein deutsch-finnisch-österreichisches Wissenschafter-Team auseinander. Die Auswirkungen solcher Episoden auf Klima und Umwelt seien bisher nur teilweise erforscht. Mit an Bord ist Harald Rieder vom Institut für Meteorologie und Klimatologie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. Im Rahmen des Projekts erwarte man sich "detaillierte Einblicke in vergangene Umweltbedingungen". Die Forscher "wollen auf dieser Grundlage auch die möglichen Folgen künftiger Magnetfeldveränderungen besser abschätzen", wird Rieder in einer Aussendung zitiert.
Die Vermessung menschlichen Gewebes
Gerhard Holzapfel vom Institut für Biomechanik der TU Graz ist Teil eines Teams, das sich der Vermessung der mechanischen Eigenschaften des lebenden menschlichen Gewebes verschrieben hat. Mit dabei sind überdies Wissenschafterinnen und Wissenschafter vom Helmholtz-Zentrum Hereon (Deutschland) und der ETH Zürich. An die TU Graz werden laut einer Mitteilung der Uni 4,2 Mio. Euro fließen. Im Rahmen des Projekts will man das Faktum ändern, dass z.B. Herzgewebe, das in veränderter Form an vielen Erkrankungen beteiligt ist, bisher nicht ohne Eingriff auf seine Beschaffenheit überprüft werden kann. Ziel ist es, eine "neuartige In-vivo-Gewebeanalyse" zu entwickeln, die hier Abhilfe schafft.
Den Einfluss von Klimaveränderungen und des Menschen auf die Artenvielfalt und -zusammensetzung wollen die Protagonisten des ERC-Projekts "Memeland" über 2.000 Jahre hinweg verstehen. Mit dabei ist der am Fachbereich Umwelt und Biodiversität der Universität Salzburg beschäftigte Andreas Lang. Analysiert werden Erbgut-Überbleibsel in Böden und Sedimenten, um die einstige Flora und Fauna an verschiedenen Orten Europas zu rekonstruieren. "Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die Wissenschaft von großem Interesse, sondern auch von entscheidender Bedeutung, um fundierte Maßnahmen für Klimawandelanpassung und Renaturierung zu entwickeln", wird Lang seitens der Uni Salzburg zitiert.
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