Das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung war Albert Einstein nicht geheuer: Er fand es "spukhaft", dass zwei verschränkte Teilchen so verbunden sein können, dass sie sich ihre physikalischen Eigenschaften teilen und erst die Messung an einem Teilchen unmittelbar den Zustand des anderen festlegt. Wiener Forscher konnten nun mittels Computersimulation den "Quanten-Spuk" vermessen und auf einer Zeitskala von Attosekunden die Entstehung der Verschränkung untersuchen.
Der österreichische Physiker Erwin Schrödinger (1887-1961) hat das Phänomen der Verschränkung als "DEN charakteristischen Zug der Quantenmechanik" bezeichnet. Demnach können zwei oder mehr Quantensysteme, etwa zwei oder mehr Lichtteilchen (Photonen), die in einer bestimmten Art und Weise in Wechselwirkung standen und sich dann wieder trennen, nicht mehr separat betrachtet werden. Sie haben keine individuellen Eigenschaften, sondern verhalten sich vielmehr wie eine einzige Einheit - auch wenn sie sich an völlig verschiedenen, weit auseinanderliegenden Orten befinden.
Die Quanten-Nussschnecken
Mit dem Erfahrungshorizont des Alltags ist das kaum nachvollziehbar. Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger, der viel mit verschränkten Photonen arbeitet, verglich dies einmal anschaulich mit verschränkten Quanten-Nussschnecken. Diese könnten links- oder rechtsdrehend sein, aber weder ein Beobachter noch die Schnecken selbst wüssten, in welche Richtung sie sich drehen - ihr Zustand ist undefiniert. Würden nun zwei Personen jeweils eine Schnecke mit nach Hause nehmen und eine schaut nach, in welche Richtung sich seine Schnecke dreht, legt sich ihr Zustand fest, etwa linksdrehend. "In dem Moment wird sich die andere auch nach links drehen, aber vorher haben sie sich nirgends hingedreht", so Zeilinger.
Verschränkte Nussschnecken gibt es nicht, aber verschränkte Teilchen werden mittlerweile für die Quantenkryptographie, also zur sicheren Verschlüsselung, oder für Quantencomputer genutzt. Während man dabei versucht, die Verschränkung möglichst lange aufrechtzuerhalten, interessierte sich ein chinesisch-österreichisches Forschungsteam um Joachim Burgdörfer vom Institut für Theoretische Physik der Technischen Universität (TU) Wien für den Prozess der Entstehung der Quantenverschränkung.
Methode der Verschränkung von zwei Elektronen
Bisher ging man davon aus, dass dies "instantan" erfolgt, also augenblicklich - und nicht als Prozess. Weil mittlerweile aber Methoden zur Verfügung stehen, mit denen sich solche Vorgänge auf Attosekunden-Skala untersuchen lassen, haben sich die Wissenschafterinnen und Wissenschafter eine bestimmte Methode der Verschränkung von zwei Elektronen genauer angesehen - und zwar mittels Computersimulationen, mit deren Hilfe man ultraschnelle Prozesse nachbilden kann.
Bei dieser Form der Verschränkung trifft ein intensiver Laser-Blitz auf ein Atom und reißt dabei ein Elektron heraus. Ist das Licht stark genug, kann es ein weiteres Elektron des Atoms in einen Zustand höherer Energie versetzen.
Wie das Forschungsteam im Fachjournal "Physical Review Letters" zeigt, kann man durch Kombination zweier Laserstrahlen erreichen, dass der Augenblick, an dem das davonfliegende Elektron das Atom verlässt, mit dem Zustand des zurückbleibenden Elektrons zusammenhängt. Damit sind diese beiden Eigenschaften quantenverschränkt.
Weil aber verschränkte Teilchen nie etwas über ihren Zustand "wissen", ist auch dem davonfliegenden Elektron nicht klar, zu welchem Zeitpunkt es sich vom Atom verabschiedet hat. Es befindet sich in einem sogenannten Überlagerungszustand von zwei Abschieds-Zeitpunkten - einem früheren und einem späteren.
Abschied des davonfliegenden Elektrons
Der exakte Zeitpunkt des Abschieds lässt sich nicht herausfinden, es gibt keine exakte Antwort auf diese Frage in der Quantenphysik. Weil der Abschied des davonfliegenden Elektrons aber mit dem Zustand des verbliebenen Elektrons verbunden ist, lassen sich doch Aussagen machen: Befindet sich das verbliebene Elektron in einem Zustand höherer Energie, wurde das davonfliegende Elektron eher zu einem frühen Zeitpunkt herausgerissen, befindet es sich in einem Zustand niedrigerer Energie, hat das enteilende Elektron das Atom eher später verlassen.
Der Zeitraum zwischen diesen beiden Zuständen beträgt im Durchschnitt 232 Attosekunden (eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstelsekunde). Den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zufolge springt also das Elektron nicht einfach aus dem Atom, der Abschied dauere eine gewisse Zeit und sei mit einer Welle vergleichbar, die aus dem Atom heraus schwappt. "Abhängig von Zustand des anderen Elektrons braucht die Formierung des Wellenpaket mehr oder weniger Zeit", erklärte Burgdörfer gegenüber der APA. In dieser Zeit entstehe die Verschränkung der beiden Teilchen.
Die Dauer dieses Prozesses lässt sich aber nicht nur berechnen, "sondern auch im Experiment messen", ist Burgdörfer überzeugt. Das Forscherteam ist deshalb bereits im Gespräch mit Experimentalphysikern, die solche ultraschnelle Verschränkungen nachweisen wollen.
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