Hydrothermale Quellen am Grund der Tiefsee beherbergen ein spezielles Ökosystem. Im warmen Wasser rund um diese Quellen leben zahlreiche Mikroben-, Wurm-, Muschel-, Schnecken- und Krabben-Arten. In Höhlen unterhalb des Meeresbodens rund um solche Quellen in 2.515 Meter Tiefe haben österreichische Meeresbiologinnen eine vielfältige Tierwelt entdeckt, die im Austausch mit der oberhalb lebenden Fauna steht. Sie berichten darüber im Fachjournal "Nature Communications".
Geleitet wurde die 30-tägige Expedition eines internationalen Teams im Sommer vergangenen Jahres von Meeresbiologin Monika Bright und ihrer aus Österreich stammenden Kollegin Sabine Gollner vom Königlich Niederländischen Institut für Meeresforschung. Ziel des Forschungsschiffs "Falkor (too)" des US-amerikanischen Schmidt Ocean Institute war der Ostpazifische Rücken vor Mittelamerika. Durch die auseinanderdriftenden tektonischen Platten gibt es entlang dieses Rückens rege vulkanische Aktivität. Dazu zählen zahlreiche hydrothermale Quellen - sogenannte "Raucher".
Vielfältiges Ökosystem in der Tiefe
In dem warmen Wasser rund um diese "Raucher" nutzen Mikroben u.a. den austretenden Schwefelwasserstoff als Energiequelle. Sie dienen als Nahrungsgrundlage für ein vielfältiges Ökosystem in der Tiefe. Dieses wurde in den vergangenen Jahrzehnten intensiv untersucht. Die Forscherinnen wollten bei der Expedition ihre Hypothese überprüfen, ob die Larven von Röhrenwürmern in dem Wasserzirkulationssystem rund um die Quellen durch Spalten in die Erdkruste eingesaugt werden und durch das über Schlote ausströmende heiße Wasser verteilt werden.
Dazu unternahmen sie 18 Tauchgänge mit einem ferngesteuerten Unterwasserroboter. Das Problem dabei war, dass das basaltische Vulkangestein sehr schwer einzusammeln ist. "Deshalb haben wir mit einem Meißel vorhandene Spalten erweitert und als wir gesehen haben, dass es darunter seewassergefüllte Hohlräume gibt, mit einer langen Brechstange mehrere Platten der Meeresbodenkruste umgedreht", erklärte Bright gegenüber der APA.
Zehn verschiedene Tierarten
Zu ihrer Verblüffung zeigten sich in den rund zehn Zentimeter hohen Hohlräumen mit etwa 18 Grad Celsius warmem Wasser zahlreiche verschiedene Tierarten, etwa 50 Zentimeter lange Riesenröhrenwürmer (Riftia pachyptila), aber auch kleinere Röhrenwurm-Arten oder Schnecken. Alleine anhand der Videoaufnahmen konnten die Forscher zehn verschiedene Tierarten identifizieren. Alle davon leben auch in den mit Röhrenwürmern verbundenen Lebensgemeinschaften am Meeresboden rund um die "Raucher". "Das sind Faunengemeinschaften, die miteinander verbunden sind", sagte Bright.
Die Tiere haben sich offensichtlich genauso in dieser "Unterwelt" angesiedelt, wie die Forscherinnen in ihrer Hypothese angenommen haben: Die Larven werden mit dem Seewasser durch Risse und Spalten angesaugt und setzen sich in diesem speziellen Unterwasser-Lebensraum fest. Laut Bright "haben Hydrothermalquellen damit einen viel größeren Lebensraum als wir bisher gedacht haben". So könnten auch neu entstandene derartige Quellen rasch neu besiedelt werden.
Mit Unterwasserroboter zahlreiche genetische Proben genommen
Die Wissenschafter, die über ihre Entdeckung bereits im Vorjahr informiert hatten und nun die Ergebnisse publizierten, haben mit dem Unterwasserroboter auch zahlreiche genetische Proben genommen, die derzeit ausgewertet werden. "Da sind sicher noch zahlreiche weitere Arten dabei", ist die Forscherin zuversichtlich.
Noch völlig unklar ist, wie groß die Ausdehnung der Hohlräume unter dem Meeresboden ist. Die Wissenschafterinnen überlegen derzeit, wie man mehr über ihre Dimension erfahren könnte. Schließlich würde die Entdeckung tierischer Lebensräume unterhalb des Meeresbodens die Dringlichkeit von Schutzmaßnahmen gegen mögliche künftige anthropogene Einflüsse, wie Tiefseebergbau, erhöhen, schreiben sie in ihrer Arbeit.
Service - Video des Schmidt Ocean Institute zur Expedition: https://go.apa.at/vi8Bahp6; Arbeit in Nature Communications: http://dx.doi.org/10.1038/s41467-024-52631-9
APA/red Foto: APA/Schmidt Ocean Institute/CC BY-NC-SA