Biografie oder Biographie? Seit zehn Jahren sind beide Varianten offiziell erlaubt. Das und eine Reihe weiterer Änderungen hat der Rat für deutsche Rechtschreibung 2006 in einer neuerlichen Reform der ursprünglichen Rechtschreibreform beschlossen. Im August 2006 begann in Österreich eine zweijährige Übergangsfrist für die Neuerungen, am 31. Juli jährt sich deren Ende zum zehnten Mal.
Anlass für die Reform des amtlichen Regelwerks am 1. August 2006 war die Kritik an der Rechtschreibreform von 1996 gewesen. Einige damals eingeführte, besonders umstrittene Änderungen wurden 2006 wieder zugelassen - teilweise zusätzlich zu der neuen Schreibweise. So wurde beispielsweise neben "kennen lernen" auch die alte Schreibweise "kennenlernen" wieder erlaubt. Die Reform regelte neben Getrennt- und Zusammenschreibung, Groß- und Kleinschreibung auch die Zeichensetzung. Bei der Kommasetzung wurden aber auch einige Schreibweisen verboten, die nach der Reform 1996 erlaubt waren: Der Beistrich ist seit 2008 vorgeschrieben bei Sätzen wie "Sie öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen".
Während der Übergangsfrist wurde an den Schulen in Österreich die alte Schreibweise zwar angestrichen, aber nicht als Fehler gewertet. Seit deren Ende werden die Schularbeiten nach den neuen Regeln korrigiert.
Nicht alles umgesetzt
Auch wenn die Reform sehr umfassend war, konnten aber nicht alle geplanten Vorhaben umgesetzt werden, zieht Peter Ernst, österreichisches Mitglied des Rates für deutsche Rechtschreibung, Bilanz. "Vor allem sind sie am Widerstand der Bevölkerung und der zuständigen Politiker, die die Maßnahmen ratifizieren müssen, gescheitert. Etwa bei der Schreibung einzelner Wörter." Trotzdem zeigte Ernst sich überzeugt von der Reform. Sie sei schon lange notwendig gewesen und "sicherlich ein wichtiger Schritt in Richtung größere Systematik der Rechtschreibung und leichteren Erlernbarkeit", so der Germanist gegenüber der APA.
Laut Ernst bemängelten einige Sprachwissenschafter bis zuletzt, dass die Regelung zu viele Eingeständnisse an die Kritik machte und folglich in einigen Bereichen inkonsequent gewesen wäre. Auch in der Bevölkerung schlug die Reform Wellen. "Sprache ist zu großen Teil identitätsstiftend", erklärt Ernst die damalige Aufregung. Manche empfänden, ihnen werde etwas "weggenommen", wenn sich die Schreibung ändert. Daneben spielen Gewohnheiten eine große Rolle, deshalb wurde die Reform auch lange angekündigt und eine Übergangszeit von zwei Jahren geplant, so Ernst.
Der anfängliche Widerstand an der Reform von 2006 ist heute weitgehend verstummt, erklärte Jutta Ransmayr, ebenfalls Mitglied des Rates und Lehrende am Germanistik Institut der Universität Wien. Die Regelungen betrafen sowieso überwiegend professionelle Anwender wie Lehrer, Journalisten und Verfasser von rechtlichen Texten, nicht aber die breite Bevölkerung. Da die neue Rechtschreibung seit zehn Jahren an den Schulen unterrichtet wird, sei sie für die Schreiber von morgen selbstverständlich, so Ransmayr. Probleme kämen zwar noch bei älteren Personen vor, die an die Schreibweise vor 2006 gewohnt waren, generell seien sie aber eher die Ausnahme, sagte Ransmayr und ergänzt: "Ich glaube, dass sich alle Probleme mit einem Blick ins Wörterbuch lösen lassen."
Arbeit mittels Textbeobachtung
Der Rat, seit 2004 die maßgebliche Instanz für deutsche Orthografie, arbeitet mittels Textbeobachtung. Dabei werden große Mengen von professionellen Texten - Medienberichte, standardisierte Texte, seit 2017 auch Maturatexte - herangezogen, erklärt Ransmayr. "In diesen wird die Verwendung eines Begriff, beispielsweise 'Buffet', über mehrere Jahrzehnte beobachtet, und analysiert, wie er geschrieben und verwendet wird." Daraus leitet der Rat ab, ob es eine Änderung der standardisierten Schreibweise des Begriffs braucht.
Seit der Reform 2006 wurden zwei weitere umfassendere Neuerungen vorgenommen. 2011 handelte es sich dabei im Wesentlichen um Streichungen bzw. Neuzulassungen von Variantenschreibungen bei Fremdwörtern. So durfte beispielsweise "charmant" nicht mehr "scharmant" geschrieben werden, neu zulässig waren die Fremdwortformen "Schmand" und "Clementine". Vergangenes Jahr ermöglichte der Rat die Verwendung des Großbuchstabens "ẞ" anstatt "SS". Das war vor allem für Personen mit scharfen "ß" im Familiennamen eine Erleichterung, da es davor beispielsweise im Reisepass keinen Unterschied zwischen den Namen "Strasser" und "Straßer" gegeben hatte. Die zweite Änderung war die Anpassung der festen Verbindungen von Adjektiv und Substantiv, dadurch wurden Konstellationen wie "die Goldene Hochzeit" und "Heiliger Abend" zugelassen.
Sowohl Ernst als auch Ransmayr sehen in den kommenden Jahren für weitere Reformen keinen Bedarf. Der Rat arbeite ohnehin laufend beispielsweise an dem Wörterverzeichnis - Wörter, die nicht zeitgemäß sind, werden aktualisiert - und an Neologismen, also Wortschöpfungen oder neuen Wortbedeutungen, die vor allem durch Anglizismen entstehen, gearbeitet, so Ransmayr. Ein aktuelles Problem ist auch die Widerspiegelung des Genderns in der Schreibung und ob der Rat für deutsche Rechtschreibung Empfehlungen abgeben solle.
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